© Cordula Feck PHOTOGRAPHY
Plant³ – Meinungsmacher*innen im Gespräch: Prof. Dr. Beatrice Großjohann
Im September 2020 wurde das Bioökonomiezentrum Anklam eröffnet. Betreiber ist unser Plant³-Bündnispartner, die Food & Pharma Services Anklam GmbH (FPS GmbH). Deren Geschäftsführerin ist Prof. Dr. Beatrice Großjohann, die darüber hinaus an der Hochschule Neubrandenburg im Studiengang Lebensmittel- und Bioprodukttechnologie unterrichtet. Wir haben die Biochemikerin zu ihren Plänen und Visionen für das Bioökonomiezentrum Anklam und zur Bioökonomie insgesamt im östlichen Vorpommern befragt.
Frau Großjohann, Sie leiten das neueröffnete BioÖkonomiezentrum in der Nähe von Anklam. Was genau passiert dort und welche Pläne gibt es für die Zukunft des Standorts?
Das Motto des neuen BioÖkonomiezentrums (BÖZ) ist: „Wirtschaft trifft angewandte Bioökonomie!“ Es ist ein Ort, an dem bioökonomischer Innovationsgeist und Forschungsdrang unterschiedlicher Wissenschafts- und Wirtschaftssektoren direkt mit den universitären Einrichtungen des Landes zusammenarbeiten. Bioökonomie ist DER Megatrend! Eine rasant wachsende Weltbevölkerung, der deutlich spürbare Klimawandel, der Rückgang der Artenvielfalt bei gleichzeitig weltweit knapper werdenden Ressourcen und Nutzflächen sowie ein neu hinzugekommener globaler Infektionsdruck durch Pandemien – dies ist die Ausgangssituation. Die Herausforderung besteht in einem gesamtgesellschaftlichen Strukturwandel mit dem Ziel, ökonomisches Wachstum mit ökologischer Verträglichkeit zu vereinen.
Dieser Aufgabe stellen sich hier zahlreiche Akteure. Sie wollen mit ihren Ideen in die Region Vorpommern investieren und finden hierfür im BÖZ einen fruchtbaren Nährboden. Wie es für einen Schmelztiegel typisch ist, begegnen sich hier vielfältiges Know-how und Fachkompetenzen in großer räumlicher Nähe, wodurch – teilweise überraschend neue – Synergieeffekte entstehen.
Derzeit sind zwölf Mieter an unserem Standort ansässig, wovon die meisten einen bioökonomischen Schwerpunkt haben. Firmen wie die Anchor Pharmaceuticals GmbH oder die Grinol GmbH sind mit ihren wissenschaftlichen Ansätzen Sinnbilder des Standorts hinsichtlich der Steigerung der Nachhaltigkeit über den Weg der Ressourceneinsparung und der Minimierung von Emissionen. Die neu eingerichtete Akademie ist unser Zentrum des Wissensaustausches. Als Schulungszentrum ist sie offen für alle Unternehmen, welche sich an der Strukturentwicklung der Region beteiligen wollen.
Wir wollen in der Region für die Relevanz und die Notwendigkeit des bioökonomischen Strukturwandels sensibilisieren, Firmen und Forschungseinrichtungen und Kommunen – zusammenführen und miteinander ins Gespräch bringen.
Die FPS GmbH ist Mitglied in Plant³. Welche Rolle spielt ihr Unternehmen in dem Bioökonomiebündnis?
Es besteht eine sehr enge, facettenreiche Verbindung zwischen dem Plant3-Bündnis und dem BioÖkonomiezentrum Anklam, da uns das Ziel eint, die Vorzüge der Region Vorpommern mit den vielfältigen nachwachsenden Ressourcen stärker zu nutzen und die Erhöhung der regionalen Wertschöpfung durch Wissen, Innovation und strukturellen Wandel unter bioökonomischen Gesichtspunkten voranzutreiben. Sowohl das Plant3-Bündnis als auch das BÖZ haben sich der Vision verschrieben, einen spürbaren Beitrag zum Wandel von der erdölbasierten Wirtschaft hin zu einer Wirtschaft aus nachwachsenden Rohstoffen zu leisten.
FPS ist ein Teil des Bioökonomiebündnisses Plant3. Wir arbeiten aktuell gemeinsam mit drei weiteren Firmen an einem innovativen Projekt, das nachhaltige, ökologische Produkte auf der Grundlage nachwachsender Rohstoffe entwickelt.
Darüber hinaus bietet FPS den angesiedelten Firmen wichtige Essentials. Es ist zwingend notwendig, dass die Firmen unter unserem Dach in einer absehbaren Zeit Geld verdienen müssen. Eine tolle Idee bzw ein ausgereiftes Produkt allein genügen jedoch nicht. Vor der Markteinführung müssen in der Regel aufwendige Regularien und gesetzliche Anforderungen beachtet werden. Es braucht Labordiagnostik und nicht selten ein Zulassungsverfahren. Die FPS bietet für dies alles das notwendige Know-How und unterstützt gern.
Sie sind zudem Dozentin an der Hochschule Neubrandenburg im Fachbereich Agrarwirtschaft und Lebensmittelwissenschaft. Welche inhaltlichen Überschneidungen zum Thema Bioökonomie sehen Sie zwischen Ihrer Lehrtätigkeit und Ihrer Funktion als Geschäftsführerin in der Wirtschaft?
Die Überschneidungen sind vielfältig. Beispielsweise wurde 2019 an der Hochschule ein Wahlpflichtfach „Nutzung regenerativer Energien/ Bioökonomie“ eingerichtet. Einerseits ist die Hochschule Neubrandenburg als Hochschule der angewandten Wissenschaften mit einem ihrer Schwerpunkte in der regionalen ökologischen Struktur direkt mit dem Gedanken der Bioökonomie verwachsen. Andererseits ist auch sie ein Schmelztiegel neuer Ideen und Innovationen. So fließen aktuelle Entwicklungen in der Bioökonomie und deren regionale Besonderheiten in meine Lehrtätigkeit ein. Dies ist aber keine Einbahnstraße. Einige Mitarbeiter der FPS Anklam GmbH sind ehemalige Studierende der Hochschule Neubrandenburg und diese engagieren sich nun auch in ihrem Arbeitsalltag in bioökonomischen Projekten.
Plant³ hat das Ziel eine Modellregion für Bioökonomie zu werden. Wo sehen Sie das größte Potenzial dafür?
Plant³ untergliedert sich ja in die drei Handlungsfelder Land, Moor und Meer. Drei Bereiche, in denen das Potential der Bioökonomie sehr stark sichtbar wird und welche direkt vor unserer Haustür als Schatzkammern des Wissens und der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit lagern. Hinzu kommt, dass Mecklenburg-Vorpommern und Vorpommern im Speziellen eine Kombination aus hoher Flächenverfügbarkeit und einer prägenden Forschungslandschaft mitbringt.
Wo sehen Sie die größten Schwierigkeiten in der Umsetzung?
Die größte Schwierigkeit sehe ich derzeit in den langwierigen Antragsphasen für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben auf Landes- sowie auf Bundesebene. Diese erschweren die kontinuierliche Bearbeitung von wissenschaftlichen Fragestellungen und innovativen Ideen. Insbesondere für Start-ups ist die überbordende Bürokratie bei der Beantragung von Fördermitteln ein Entwicklungshemmnis.
Wo wünschen Sie sich mehr Unterstützung, zum Beispiel aus der Politik?
Ich denke, dass es für Leuchtturmprojekte, die sich mit Schlüsselthemen beschäftigen, verkürzte Verfahren und eine unbürokratische Unterstützung geben sollte. Eine vereinfachte Antragsphase zur finanziellen und zeitlichen Entlastung von KMU‘s wäre wünschenswert. Darüber hinaus ist es wichtig, dass die Unterstützung nachhaltiger wird u.a. eine Verlängerung von Projekten leichter möglich wird, um begonnene Themen zu vertiefen.
Was ist Ihre ganz persönliche Vision zum Thema Bioökonomie?
Mein Ziel ist es, zum Aufbau einer in Teilen regionalen Kreislaufwirtschaft beizutragen, die durch eine optimale Verwertung sowie Mehrfachnutzung von Rohstoffen und Produkten Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit möglich macht. Dabei wollen wir Arbeitsplätze schaffen, mit innovativen Produkten und Dienstleistungen Umsätze generieren und uns am Markt behaupten können.
Bioökonomiezentrum Anklam
Das Bioökonomiezentrum Anklam wurde am 1. September 2020 in Relzow bei Anklam feierlich in Anwesenheit von Vertretern der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern, des Landkreises Vorpommern-Greifswald, der Gemeinde Murchin und der Stadt Anklam sowie den Nutzern eröffnet. Dank privater Initiative der Unternehmerin Prof. Dagmar Braun aus Greifswald entwickelt sich aus einer ehemaligen Großschlachterei in Vorpommern ein Kompetenzzentrum für nachhaltiges Wirtschaften. Von den 13.000 m² Fläche waren zur Eröffnung 60 Prozent an neun Unternehmen vermietet, darunter weitere Plant³-Bündnismitglieder. Betreiber ist dieFood & Pharma Services Anklam GmbH (FPS Anklam GmbH). Das Unternehmen erbringt Dienstleistungen, insbesondere mikrobiologische und analytischen Laborleistungen für Arzneimittelwirkstoffe, Fertigarzneimittel und Lebensmittel sowie Schulungen im Food- und Pharmabereich.
Contact
Bioökonomiezentrum Anklam
c/o FPS GmbH
An der Redoute 1, 17390 Murchin
Fon: +49 (0) 3971-2930587
v.l.n.r.: Prof. Dr. Beatrice Großjohann (Leitung des BioÖkonomiezentrums Anklam), Michael Galander Bürgermeister der Stadt Anklam), Prof. Dr. Dagmar Braun (Investorin, Eigentümerin), Jörg Hasselmann (Vizelandrat im Landkreis Vorpommern-Greifswald), Sven Rüger (Vorstandsvorsitzender des BioCon Valley)
Foto: Simone Matthey