© Erik Bossong
Plant³ im Gespräch mit Herrn Erik Bossong
Vom 17.11. bis 18.12.2023 wurde die Ausstellung „FAKTOR WOHNEN – Ökologisch um:bauen mit regenerativen Baustoffen“ im Greifswalder Z4 / Zentrum für Life Science und Plasmatechnologie‘“ gezeigt. Das begleitende Veranstaltungsprogramm verdeutlichte nicht nur die Notwendigkeit der Bauwende, sondern zeigte auch aktuelle Lösungsansätze für die Bauwende auf. Herr Erik Bossong von GROPYUS AG beteiligte sich am 30.11. an der Diskussion zum Themenschwerpunkt „Bioökonomie und ökologische Baumaterialien“. Wir haben nach der Veranstaltung mit ihm gesprochen
Herr Bossong, die GROPYUS AG verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz und möchte damit die Baubranche transformieren und digitalisieren. Was bedeutet das konkret?
Üblicherweise ist die Wertschöpfungskette im Bauwesen sehr fragmentiert – viele Bauschaffende arbeiten mehr oder weniger abgestimmt an einem Projekt. Wir gehen das ganz anders an: Wir haben unsere Wertschöfpungskette durchgängig in der Hand, und das voll digitalisiert. Das heißt, dass der Prozess vom Grundstückserwerb bzw. der Grundstückserschließung bis zum Gebäudebetrieb von uns selbst umgesetzt und gesteuert wird. Wir sehen unsere Häuser nicht als Bauprojekte, sondern als Produkt, welches in gleichbleibend hoher Qualität durch standardisierte Prozesse und einem bis zu 80-prozentigen Vorfertigungsgrad termintreu ausgeführt sowie verlässlich und vollständig dokumentiert wird – bis hin zu Echtzeitdaten im Gebäudebetrieb und zur Verortung jeder einzelnen Schraube im Bauteil.
Welche Innovationen haben sich in der Praxis des Bauens bereits durchgesetzt, bei Ihnen und allgemein?
Es tut sich viel in der Materialentwicklung – z. B. werden heute schon viele Projekte mit nachhaltigen Materialien gebaut. Ganz besonders hat sich in den letzten Jahren der großvolumige Holzbau etabliert. Zwar hat er immer noch einen geringen Anteil am Gesamtvolumen dessen, was gebaut wird, aber seine Steigerungsraten sind beachtlich. Wir haben im Laufe unseres vierjährigen Firmenbestehens unseren Fokus auf die Produktentwicklung gelegt und sind von Anfang an mit dem Anspruch angetreten, volldigitalisiert, hochautomatisiert, leistbar und nachhaltig zu bauen. Darin finden wir immer mehr Zustimmung.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen auf dem Weg zu einer größeren Nachhaltigkeit beim Bauen?
Da sind zwei Dinge: Zum einen die Regulatorik, die in Deutschland überbordend und ausufernd ist. Werfen Sie einen Blick nach Österreich oder in die Schweiz – dort ist man, vorsichtig gesagt, irritiert hinsichtlich unserer zu komplexen Verordnungslandschaft, von der selbst die erfahrensten Expertinnen und Experten sagen, dass sie unüberschaubar geworden ist. Aus meiner Sicht kann man die Regulatorik aber nicht betrachten, ohne gleichzeitig die Marktmacht etablierter Systeme zu sehen: Die wirtschaftlichen Interessen von Herstellen nicht nachhaltiger Materialien sind viel zu groß, als dass die zarten jungen Pflanzen nachhaltiger Produkte ohne Förderung und Unterstützung wirklich an die Oberfläche kommen könnten. Da fahren dann sprichwörtlich die Betonmischer drüber. Wenn Sie die Sektorenförderung anhand der Daten des Statistischen Bundesamtes betrachten, sehen Sie schnell, wo das Problem liegt – die Forschungsförderung im Bauwesen ist gering, verglichen mit der vergleichbar großer Sektoren wie der Automobilindustrie.
Wie kann aus Ihrer Sicht unsere Bioökonomie-Region im nordöstlichen Deutschland zur Bauwende beitragen? Worin liegt unser Potenzial?
Dort gibt es zum Beispiel viele gute Ansätze speziell im Bereich biogener Fasern und deren Verwendung im Dämmstoffbereich. Wenn sich die dortigen Akteure über die Regionengrenzen hinweg mit den Produzenten und Anwendern in anderen Regionen (z. B. Lausitz und Rheinland) vernetzen und kooperieren, sehe ich gute Chancen, auch die dringend notwendige Skalierung dieser Materialien hinzubekommen. Das kann allerdings nur mit der Unterstützung der Politik funktionieren.
Herr Bossong, wir danken Ihnen herzlich für das Gespräch!
Infokasten: GROPYUS erfindet das Merhfamilienhaus neu: Das 2019 gegründete PropTech entwickelt Immobilien als sich ständig weiter entwickelnde, optimierbare Produkte und digitalisiert alle Aspekte des Immobilienlebenszyklus. Die mehrgeschossigen Holz-Hybrid-Gebäude sind klimapositiv und werden digital konzipiert sowie vollständig automatisiert gefertigt. An den Standorten Wien, Berlin, Steinhaus, Richen, Dornbirn und Ruggell sind rund 380 Mitarbeiter:innen tätig.
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