Mit Enzymen den Wandel zur biobasierten Wirtschaft voranbringen
Seit der Konzeptphase von Plant³ bringt sich Ulf Menyes mit vielen Ideen und Kontakten intensiv in das Bündnis ein. Als Mitglied des Lenkungskreises trägt er zur Umsetzung der inhaltlichen und methodischen Ziele der Bündnisstrategie bei. Ulf Menyes ist Vorstandsvorsitzender des Greifswalder Biotechnologieunternehmens Enzymicals AG. Im Interview spricht der Chemiker über seine Aktivitäten, Ziele und Visionen für eine Modellregion Bioökonomie im östlichen Vorpommern.
Herr Menyes, was wollen Sie mit Plant³ in der Region erreichen?
Für mich als Unternehmer steht ein Strukturwandel, wie ihn sich der Fördermittelgeber wünscht, im engen Zusammenhang mit der Schaffung von Wertschöpfungsketten und zwar in unserer noch strukturschwachen Region. Nur durch die Herstellung von Produkten, in diesem Fall aus Pflanzen (Plant) von den drei unterschiedlich zu bewirtschaftenden Flächen (Plant3) Land, Moor, Meer können die pflanzenproduzierenden, -erntenden und -verarbeitenden Unternehmen in der Region Umsätze erzielen. Das schafft Arbeitsplätze für die Region und gibt den Menschen eine Arbeits- und Bleibeperspektive. Strukturwandel ist eine Generationenaufgabe, und Plant³ – und nicht nur dieses WIR!-Bündnis – ist ein sehr guter Anstoß, um mit dieser mindestens 20- bis 30-jährigen Aufgabe zu beginnen.
Welche Rolle spielt Ihr Unternehmen Enzymicals dabei?
Die Produkte der Enzymicals AG sind, wie der Name schon in sich ausdrückt, Enzyme, mit enzymatischen Prozessen hergestellte Feinchemikalien und die Entwicklung von Herstellungs-Prozess-Lösungen (engl. Production process solutions). Enzyme kommen aus dem Werkzeugkasten der Natur und sind dort Hilfsstoffe (Katalysatoren), um die biochemischen Reaktionen, die überall in der Natur ablaufen, überhaupt möglich zu machen.
Enzymicals will dazu beitragen, pflanzliche Produkte mittels der Katalysatoren aus der Natur, den Enzymen, ökologisch und ökonomisch nachhaltig zu gewinnen und, wo es notwendig ist, diese durch gezielte biochemische Veränderungen an die Bedürfnisse der Menschen anzupassen.
Sie sind seit mehr als zehn Jahren im Bereich der industriellen Biotechnologie aktiv. Welche Erfolge können Sie für die Bioökonomie verbuchen?
Unser größter Erfolg ist es, das Unternehmen seit seiner Gründung 2009 von einem Start-up der Universität Greifswald zu einem weltweit beachteten unabhängigen Unternehmen der industriellen Biotechnologie (weiße Biotechnologie) entwickelt zu haben. Mit unseren jetzt 18 Mitarbeitern sind wir seit 2015 profitabel, also nicht mehr auf die finanzielle Unterstützung unserer strategischen Investoren, beides ebenfalls Firmen im weitesten Sinne aus dem Tätigkeitsfeld der Bioökonomie, angewiesen. Das verdanken wir auch einem großen Netzwerk an Kunden und Partnern, die uns bei der Umsetzung von Prozesslösungen zu Produkten (Wertschöpfungsketten) helfen.
Praktische Beispiele für diese Wertschöpfungsketten gibt es einige. Aus gegenseitigen Geheimhaltungsgründen mit den Partnerunternehmen kann ich nur zwei bereits erfolgreiche und ein zukünftiges nennen, die im weitesten Sinne mit den Zielen von Plant3 übereinstimmen.
- Gemeinsam mit der Zuckerfabrik Anklam (Cosun Beet Company GmbH & Co. KG) haben wir durch den gezielten Einsatz bestimmter Enzyme in der Produktion an der ökonomischen Verbesserung des Zuckerherstellungsprozesses gearbeitet.
- Mit einem Unternehmen aus der Faserherstellungsindustrie haben wir gemeinsam einen Prozess entwickelt, Kunststofffasern auf der Basis von nachwachsenden Pflanzenstoffen herstellen zu können.
- Innerhalb von Plant³ arbeiten wir zusammen mit weiteren Partnern an der Erforschung und Entwicklung von speziellen Zuckern aus Algen. (Projekt MarZucker)
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen in der Umsetzung einer nachhaltig biobasierten Wirtschaftsform?
Da gibt es viele und wird es auch in Zukunft viele geben. Der Transformationsprozess von einer auf fossilen Rohstoffen wie Erdöl und Kohle basierten Wirtschaft hin zu einer nachhaltigen biobasierten ist ein langwieriger Prozess, der viel Geduld, Wissen und Akzeptanz von allen Akteuren, aber vor allem von der Gesellschaft braucht.
Die Produkte unserer fossilen Wirtschaft, an die sich die heutige Gesellschaft gewöhnt hat, sollen nichts oder nur sehr wenig kosten und sie müssen immer, an jedem Ort und sofort vorhanden sein. Diese „Bequemlichkeit“ ist das Ergebnis eines Prozesses, der während der industriellen Revolution über wenige hundert Jahre entwickelt und stetig weiter optimiert worden ist. Nun ist die große Herausforderung, dieser „Bequemlichkeit“ der Gesellschaft in kürzester Zeit gerecht zu werden und das möglichst mit dem gleichen oder sogar höheren Erwartungshorizont an die Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen.
Machen wir es am Beispiel unserer Textilien und sonstigen Kunststoffe konkret. Die heutigen Textilien und Kunststoffe werden im Multimillionen Jahrestonnenmaßstab extrem billig hergestellt und als „Ramschware“ veräußert. Diese Waren werden sehr schnell gegen ein neues Produkt mit der gleichen Funktionalität ausgetauscht, obwohl oft nur ein moralischer und nicht wirklich ein echter Verschleiß des alten Produktes besteht.
Daraus ergeben sich mindestens zwei Herausforderungen für die biobasierte Wirtschaft. Sie muss es schaffen, die Rohstoffe, die für die Herstellung des biobasierten Textils und Kunststoffes benötigt werden, schnell und in den Mengen zu produzieren wie bisher aus den fossilen Rohstoffen. Wenn das nicht gelingt, werden die Preise für Textilien und Kunststoffe nie wettbewerbsfähig sein. Außer die Masse der Verbraucher wäre bereit, einen höheren Preis für die biobasierten Produkte zu zahlen. Die zweite Herausforderung ist die biobasierte Kreislaufwirtschaft an sich. Die meisten unserer fossilen Textilien und Kunststoffe werden bestenfalls verbrannt oder landen aus Kostengründen der billigen Entsorgung im Meer, sind dort aber nicht abbaubar und reichern sich in riesigen Mengen an mit allen negativen Folgen für die Umwelt. Die Aufgabe für die heutige Zeit und zwar möglichst schnell, ist es, biologisch abbaubare und damit als Nahrungsstoffe für nachwachsende Rohstoffe zur Verfügung stehende Textilien und Kunststoffe zu entwickeln. Oder im nächsten Schritt die Textilien und Kunststoffe durch technologische Prozesse ökologisch nachhaltig aufzulösen, so dass die molekularen Grundbausteine dieser Produkte wieder zugänglich werden und daraus neue Textilien und Kunststoffe hergestellt werden können. Und das möglichst kostengünstig, damit dieser echte Recyclingprozess der Kreislaufwirtschaft den Preiswettbewerb zum fossilen Produkt überhaupt bestehen kann.
Auch an solchen Entwicklungen arbeitet unser Unternehmen in den nächsten Jahren mit.
Was ist Ihre ganz persönliche Vision von Bioökonomie?
Meine persönliche Vision von Bioökonomie ist es, dass es der Bioökonomie in mehreren Jahrzehnten, nicht Jahrhunderten, zumindest in Teilen gelingt, zu einer echten Kreislaufwirtschaft im Einklang mit der Natur und auch mit den Wünschen der Gesellschaft nach „Bequemlichkeit“ beizutragen.
Enzymicals AG
Der Fokus der Enzymicals AG liegt auf der Bereitstellung integrierter Lösungen für biokatalytische Anwendungen. Das Unternehmen entwirft, entwickelt und realisiert kostengünstige, nachhaltige und skalierbare chemo-biokatalytische Routen. Enzymicals bietet dafür eine anerkannte Expertise in der Anwendung enzymatischer Prozesse für die Synthese komplexer Chemikalien bis in den industriellen Maßstab. Der Service deckt die gesamte Wertschöpfungskette ab bis hin zu einem maßgeschneiderten Prozess für eine spezielle Anwendung: Enzym-Identifikation, -Expression, -Charakterisierung, Verbesserung und Anwendung in einem effizienten Produktionsprozess.