Materialien aus LAND, MOOR und MEER neu denken – Themenschwerpunkt am 30.11.2023
Beheizbare Wände aus Strohplatten? Der Themennachmittag „Bioökonomie und ökologische Baumaterialien“ am 30.11. zeigte eindrücklich, dass es sich lohnt, Materialien aus LAND, MOOR und MEER wiederzuentdecken, weiterzudenken und neu zu denken.
Mit Blick auf Ressourcen- und Klimaschutz liegt das Problem im Bauwesen nicht bei den Häusern, die vor mehr als 100 Jahren gebaut wurden, sondern bei den Häusern, die in den vergangenen 100 Jahren gebaut wurden. Erik Bossong, R&D Senior Expert GROPYUS AG, beschrieb das ehrgeizige Ziel des deutsch-österreichischen Unternehmens GROPYUS: “Sie wollen Mehrfamilienhäuser mit Wohnungen für junge Familien so bauen bzw. sanieren, dass damit ein Beitrag zur Erreichung des 1,5°-Ziels geleistet wird.” Gleich zu Beginn räumte er die Sorge aus dem Weg, es gäbe nicht genug Holz dafür. “Es ist genügend Holz vorhanden, wenn man effizient damit umgeht und auch Baumaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen einbezieht”, so Bossong. Nur: Wie findet man das beste Material für den jeweiligen Zweck beim hochskalierten Bau in serieller Fertigung? Haben diese Materialien selbstragende Funktionen? Was bewirken sie beim Schallschutz, bei der Wärmedämmung und beim Feuchtigkeitstransport? Lassen sich sogar beheizbare Materialien entwickeln, welche die bisherigen Heizungen obsolet machen?
Als Weg zur Umsetzung der großen Ziele im Bauwesen skizzierte Prof. Dr. Ulrich Schurr, BioökonomieREVIER und Forschungszentrum Jülich, die Innovationsregionen der zirkulären Bioökonomie, welche die Entwicklung technologischer Innovationen verknüpfen mit dem Regionalen als Ausgangsbasis. Im Rheinland wird beispielsweise ebenso daran gearbeitet, neuartige Vorgehen für den Aufschluss von Fasern zu entwickeln, wie daran, einen disruptiv neuen Weg zur Papierherstellung zu finden, bei dem nicht mehr so viel Energie in die Verdampfung von Wasser gesteckt wird. Und daran, funktionelle Materialen zu entwickeln, wie selbstreparierendes Leichtbaumaterial aus wachsbeschichtetem Papier, das, wenn es abgenutzt ist, erst erwärmt und dann wieder abgekühlt wird und dann wieder funktioniert.
Dass aber auch herkömmliche Materialien weiterhin überzeugen können, zeigten die regionalen Unternehmer. Martin Brassel von der Hanffaser Uckermark EG stellte Materialien aus Hanfstroh für Wand-, Fassaden- und Dachdämmungen und Schallschüttungen vor. Friedrich Mierau von der HALM GmbH aus Hohenbrünzow zeigte, dass Stroh ein vielfältig anwendbares Ausgangsmaterial ist. “Strohbauplatten sind eine Alternative zu Gipskarton- und Gipsfaserplatten für Innenwände, Einblasstroh ist eine Alternative bei der Einblasdämmung und Bau-Strohballen können beim Holzständerbau verwendet werden”, erklärte Mierau. Torsten Galke, Moor and More, beschrieb Rohrkolben, Schilf und vor allem Nasswiesengräser als Rohstoffe für Baumaterialien – gut zu besichtigen beim Paludikultur-Tiny House! Und Vincent Marnitz von BuildBlue stellte Seegras als Rohstoff vor, dessen Einsatz beispielsweise bei der Dämmung eine gute Verwendung für die bei den Touristen so unbeliebten Seegrasanschwemmungen am Strand bietet.
Für eine Skalierung sind die regionalen Materialien allerdings nicht unbedingt geeignet. Ihr Vorteil liegt eher in der energieeffizienten dezentralen Ernte, Aufbereitung und Verwendung. Gerade die Dezentralität hob Prof. Schurr als Stärke hervor: “Die Skalierung von dezentralen Themen und die Vernetzung der Regionen mit ihrem Knowhow sind der Lösungsweg für eine bioökonomische Transformation im Bauwesen.”
Was nehmen wir bei Plant³ mit neben viel Neugier und neuem Wissen zu den verschiedenen Materialien? Vernetzung ist wichtig, gemeinsame Sichtbarkeit, Unterstützung bei der Finanzakquise, und ambitionierte Projekte in der Region!
Wir bedanken uns bei den Vortragenden!
+++ Nächste Veranstaltung im Rahmen der Bauausstellung: 7.12.2023 17:00-19:00 Uhr Themenschwerpunkt „Bauwende“: Lokale Best-Practice-Beispiele. Von der Uni auf die Baustelle – ökologisch Bauen und Sanieren in der Praxis. Als Vortragende erwarten wir Dirk Niehaus (biber GmbH), Martin Stiller (Stadt Greifswald), Ralf Lammertz (PGS Greifswald mbH), Andreas Skyrpietz (Deutsche Bundesstiftung Umwelt). Die Veranstaltung steht unter Schirmherrschaft der WVG.
Vorab wird um 15:00 Uhr eine geführte Exkursion zu den Pilotprojekten in Greifswald angeboten – denn die Stadt Greifswald geht mit großen Schritten voran! Wir bitten um Anmeldung vorab an ((Link Eventbrite))
+++ Wann kann man sich die Bauausstellung anschauen? Mittwoch bis Freitag: 12 bis 18 Uhr & Samstag: 10 bis 15 Uhr
+++ Ort: Z4 / Zentrum für Life Science und Plasmatechnologie, Walther-Rathenau-Str. 49b, 17489 Greifswald (also gegenüber der Zahnklinik!)